Frauenhäuser in Thüringen mussten 138 hilfesuchende Frauen abweisen -- Parität: Einrichtungen sind personell unterbesetzt sowie räumlich ungenügend ausgestattet
Neudietendorf. Die Frauenhäuser in Thüringen sind personell unterbesetzt und räumlich ungenügend ausgestattet. Die dramatische Folge dieser Situation: Im vergangenen Jahr mussten die Einrichtungen 138 hilfesuchende Frauen abweisen. Sie konnten wegen einer teilweise mehr als 100-prozentigen Auslastung nicht aufgenommen werden. Darauf macht der Paritätische Landesverband zum morgigen Tag gegen Gewalt an Frauen aufmerksam.
Vor diesem Hintergrund begrüßt der Sozialverband die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag von Linkspartei, SPD und Grünen. Danach soll die Infrastruktur aus Frauenhäusern und Frauenschutzwohnungen, Interventionsstellen und Täterberatung bedarfsgerecht gesichert und mit einer Koordinierungsstelle ausgestattet werden.
Wie notwendig der Ausbau der Infrastruktur auf diesem Gebiet ist, zeigen nach Einschätzung von Karin Kretschmer, der Referentin für Frauen, Familie und Beratungsstellen beim Paritätischen, auch die steigenden Zahlen von Fällen häuslicher Gewalt in Thüringen. Im vergangenen Jahr wurde die Polizei 3031 Mal zu entsprechenden Einsätzen gerufen – 92 Einsätze mehr als im Vorjahr. In 2600 Fällen ging es um den Schutz weiblicher Opfer. Aber auch Kinder mussten geschützt werden: In 328 polizeilichen Fällen waren Kinder und Jugendliche direkt betroffen. (Die Zahl der indirekt mitbetroffenen Kinder und Jugendliche ist um ein vielfaches höher.) Durch die räumlichen und personellen Engpässe in den Frauenhäusern konnte die besonders wichtige Betreuung der mitbetroffenen Kinder teilweise nur unzureichend gewährleistet werden.
Allerdings, so Kretschmer, zeigen diese Zahlen nur das Hellfeld der Gewalt im häuslichen Bereich. Laut einer Dunkelfeldstudie aus Niedersachsen lässt sich das Verhältnis von Hell- und Dunkelfeld bei körperlicher Gewalt in Paarbeziehungen auf etwa 1:9 schätzen.
Die vier landesweiten Interventionsstellen wurden in 988 Fällen häuslicher Gewalt aktiv. In 99,6 Prozent der Fälle (984) waren Kinder und Jugendliche direkt mitbetroffen. In den Thüringer Frauenhäusern wurden 2013 insgesamt 477 Frauen und 422 Kinder aufgenommen, 2328 wurden ambulant betreut, 19,7 Prozent der Fälle betrafen Frauen mit Migrationshintergrund. 90 Täter und Täterinnen wurden beraten, davon waren drei Frauen und 87 Männer.
In Thüringen gibt es vier Interventionsstellen, 14 Frauenhäuser, 31 Frauenzentren, 19 Kinder- und Jugendschutzdienste, zwei Täterberatungsstellen, 50 Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen. Im Paritätischen sind 45 Träger dieser Einrichtungen organisiert.
Terminhinweis: Zum Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November gibt es thüringenweit Aktionen und Veranstaltungen. Unter dem Motto „Ein Licht für jede Frau“ gedenken die Erfurter aller von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen mit einer Kerzenaktion auf dem Fischmerkt. Diese wird unter anderem durch die Paritätische Mitgliedsorganisation „Zentrum gegen Gewalt an Frauen – Brennessel e.V.“ organisiert.
Kerzenaktion am Dienstag, 25. November, 17 Uhr, auf dem Fischmarkt in Erfurt