Paritätischer: Hartz IV zügig neu berechnen - "Willkürliche Eingriffe aus dem Jahr 2010 bereinigen"
Neudietendorf/Berlin, 10. Dezember 2015. Eine zügige Neuberechnung der Hartz IV-Sätze durch das Bundessozialministerium hat der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen, Ulrich Schneider, gefordert. „Da es hier um das soziokulturelle Existenzminimum und um über sieben Millionen betroffene Menschen in Deutschland geht, muss erwartet werden können, dass die Umsetzung ... außerordentlich zügig geschieht“, heißt es in einem Schreiben Schneiders an die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundessozialministerium, Anette Kramme.
Hintergrund der Forderung ist die Tatsache, dass die statistischen Grundlagen für die Neuberechnung offenbar vorliegen. Denn wieviel Geld die Hartz IV-Empfänger bekommen, hängt maßgeblich von den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes ab. Die Behörde macht alle fünf Jahre eine Einkommens- und Verbrauchsstichprobe unter 60.000 Haushalten. Dabei wird ermittelt, wie die Haushalte ihr Geld ausgeben. Jetzt liegen die Resultate der Erhebungen aus dem Jahr 2013 vor. Innerhalb des nächsten Jahres will das Ministerium auf der Basis dieser Zahlen die neuen Hartz IV-Sätze berechnen, die dann zum 1. Januar 2017 in Kraft treten sollen.
Das allerdings geht dem Paritätischen viel zu langsam. Wenn die entsprechenden Daten jetzt vorliegen, dürfte nichts gegen die Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens zur Neubestimmung der Regelsätze sprechen, so Schneider. „Sollten – aus welchen Gründen auch immer – Verzögerungen auftauchen, wäre eine rückwirkende Gewährung sicherzustellen.“ Schneider wird in der Thüringer Allgemeinen so zitiert: „Wir haben in drei Tagen beschlossen, an einem Krieg teilzunehmen, aber brauchen über ein Jahr, um das Existenzminimum zu berechnen.“ Die Verzögerungen seien „ungeheuerlich, fast schamlos“, so Schneider in der TA.
Ein anderer wesentlicher Kritikpunkt des Paritätischen ist das Berechnungsverfahren. Denn Ministerin Andrea Nahles (SPD) lässt die Hartz IV-Sätze nach dem gleichen Modell berechnen, das schon Vorgängerin Ursula von der Leyen (CDU) verwendete und das damals auch von Nahles kritisiert worden war. Darauf bezieht sich auch Schneider, wenn er schreibt: „Wir teilen die Auffassung der Fraktion der SPD, dass die letzte Regelsatzherleitung in zentralen Punkten hinter sozialpolitisch notwendigen Lösungen zurückblieb, wie es in einem Antrag der SPD-Fraktion vom November 2010 heißt.“
Bei der Neuberechnung ist entscheidend, welche Vergleichsgruppe herangezogen wird. Von der Leyen hatte die einkommensschwächsten 15 Prozent als Basis der Berechnung des Hartz IV-Satzes für Alleinerziehende genommen. Zuvor waren die unteren 20 Prozent die Basis der Berechnung. Das macht für die Berechnung der Sätze einiges aus, denn die Gruppe der unteren 15 Prozent hat natürlich ein geringeres Durchschnittseinkommen als die unteren 20 Prozent der Haushalte. Aus dieser Gruppe werden die Hartz IV- und Sozialhilfeempfänger herausgerechnet. Die Wohlfahrtsverbände pochten seinerzeit aber darauf, auch die Aufstocker herauszurechnen. Wenn man den Vorschlägen der Wohlfahrtsorganisationen gefolgt wäre, hätte ein Alleinstehender 30 Euro mehr Hartz IV erhalten – so hatte es seinerzeit der Paritätische berechnet.
In seinem Brief spricht Schneider jetzt von „willkürlichen Eingriffe aus dem Jahre 2010“. Er hätte von Andrea Nahles erwartet, dass die jetzige Regelsatzbemessung um diese Eingriffe bereinigt wird und dass man zu einem Verfahren zurückkehre, „dass Zirkelschlüsse ausschließt und den Regelsatz nicht willkürlich kleinrechnet.“
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