Bundesteilhabegesetz: Koalition legt morgen Zeitplan fest - Zentrale bundespolitische Akteure beim Fachtag des Paritätischen am 29. April
Neudietendorf/Berlin, 12. März 2016. Das neue Bundesteilhabgesetz, das die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen verbessern soll, nimmt jetzt Fahrt auf. Die Bundesregierung will das Gesetzeswerk, das zwischenzeitlich etwas ins Stocken geraten war, noch in diesem Jahr auf den Weg bringen. Mit Spannung blicken deshalb die Menschen mit Behinderungen und deren InteressenvertreterInnen auf den morgigen Mittwoch, wo bei einem Koalitionsgipfel der zwischenzeitlich entstandene Gesetzesstau aufgelöst werden soll und eine zeitliche Schiene für die Verabschiedung der einzelnen Vorhaben – darunter auch das Bundesteilhabegesetz sowie das Pflegestärkungsgesetz III – festgelegt werden soll. Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) hatte zu vor unterstreichen, das Gesetz werde an der Finanzierung nicht scheitern. Darüber habe sie sich bereits mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verständigt. Die zeitlichen Verzögerungen hatten bereits zu Unmut innerhalb der Länder geführt. Die rheinland-pfälzische Sozialministerin Sabine Bätzing-Lichtenthaler (SPD) sprach von einer „Blockadehaltung“ beim bundesteilhabegesetz, durch die ein Inkrafttreten zum 1. Januar 2017 unwahrscheinlich werde.
Vor dem Hintergrund dieser zeitlichen Verzögerungen gewinnt der Fachtag des Paritätischen zum Bundesteilhabegesetz, der für den 29. April geplant ist, noch einmal an Brisanz. Denn mit Bernhard Scholten aus dem rheinland-pfälzischen Sozialministerium und Claudia Zinke vom Paritätischen Gesamtverband ist es gelungen, zwei der zentralen Akteure zu dem Gesetzesvorhaben auf bundespolitischer Ebene nach Neudietendorf zu holen. Schwerpunkte der Debatten bei diesem Fachtag werden - neben dem Blick auf das Gesamtvorhaben – die Themen Finanzierung, die künftige Rolle der Betroffenen und der Leistungserbringer und der Bereich Arbeit für Menschen mit Behinderungen sein. Mit Thüringens Sozialministerin Heike Werner (Linkspartei) wird außerdem über die Haltung Thüringens in den bevorstehenden Beratungen im Bundesrat gesprochen. Dabei sollen die Chancen, aber auch die Begrenzungen durch das künftige Gesetz ausgelotet werden. Anmeldungen zu dem Fachtag werden noch bis Ende der Woche unter der 036202/26234 entgegengenommen.
Der Paritätische hat seine Positionen zu dem Gesetzentwurf schon in vielen Gesprächen mit heimischen Bundestagsabgeordneten erläutert. Die Gesprächsrunden werden auch in naher Zukunft fortgesetzt. Auch der Referentenentwurf, der offenbar fertig vorliegt, soll zeitnah veröffentlicht werden.
Die Ziele des Bundesteilhabgesetzes formuliert das Bundessozialministerium so:
Mit dem Bundesteilhabegesetz soll entsprechend der Vorgaben des Koalitionsvertrages die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen verbessert und damit das deutsche Recht im Licht der UN-Behindertenrechtskonvention weiterentwickelt werden. Konkretisierend sollen mit dem Bundesteilhabegesetz folgende Ziele erreicht werden:
1. Dem neuen gesellschaftlichen Verständnis nach einer inklusiven Gesellschaft im Lichte der UN-Behindertenrechtskonvention wird Rechnung getragen.
2. Selbstbestimmung und individuelle Lebensplanung werden dem gewandelten Rollenverständnis von Menschen mit Behinderung entsprechend vollumfänglich unterstützt.
3. Die Eingliederungshilfe wird zu einem modernen Teilhaberecht entwickelt, in dessen Mittelpunkt der Mensch mit seinen behinderungsspezifischen Bedarfen steht.
4. Die vorgelagerten Systeme und die mit der Eingliederungshilfe verbundenen Systeme sowie ihre Zusammenarbeit werden verbessert.
5. Die Koordinierung der Rehabilitationsträger wird verbessert. Dazu wird eine Weiterentwicklung des SGB IX angestrebt. Die Leistungen sollen für den Bürger wie aus einer Hand erbracht werden.
6. Hierzu soll die Eingliederungshilfe als bedarfsdeckendes Leistungssystem strukturell in eine „Eingliederungshilfe neu“ (Arbeitstitel) weiterentwickelt werden.
Wesentliche Punkte dabei sind:
o Weiterentwicklung des Behinderungsbegriffs,
o „Herauslösen“ der Eingliederungshilfe aus dem „Fürsorgesystem“,
o Überprüfung der gegenwärtigen Einkommens¬ und Vermögensanrechnung,
o Personenzentrierte Gestaltung der Leistungen, unabhängig von Wohnort und -form,
o Konzentration der Eingliederungshilfe auf die Fachleistung, Ermöglichung einer zielgenauen Leistungserbringung durch ein partizipatives, bundeseinheitliches Verfahren,
o Prüfung der Möglichkeiten unabhängiger Beratung,
o Wirksamkeitskontrolle auf Einzelfall¬ und Vertragsebene,
o Verbesserung der Steuerung der Leistungen der Eingliederungshilfe, um die Leistungen im Rahmen der begrenzten Ressourcen effektiv und effizient zu erbringen und zur Verbesserung der Situation behinderter Menschen beizutragen.
7. Mit dem Bundesteilhabegesetz wird die Entlastung der Kommunen dem Koalitionsvertrag entsprechend umgesetzt.
8. Die Neuorganisation der Ausgestaltung der Teilhabe zugunsten der Menschen mit Behinderung wird so geregelt, dass daraus keine neue Ausgabendynamik entsteht.
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