Sozialministerin Heike Werner: Der Generationswechsel beim Paritätischen kann beispielhaft für andere sein
Neudietendorf, 9. November 2016. „Reinhard Müller ist der Lobbyarbeiter in der Thüringer Wohlfahrtspflege.“ Heike Werner, Thüringens Sozialminister (auf dem Foto vorne links), findet an diesem Vormittag lobende Worte für den am Jahresende scheidenden Landesgeschäftsführer des Paritätischen. „Konsequent, fachlich fundiert“ – so umreißt sie seine Arbeit und hebt hervor, dass er an wesentlicher Stelle die strategische Sozialplanung in Thüringen mit aus der Taufe gehoben habe. Als Reinhard Müller selbst an diesem Vormittag ans Mikrofon tritt, um seinen letzten Bericht als Landesgeschäftsführer abzuliefern, gesteht er ein, dass dabei natürlich auch ein wenig Wehmut mit im Spiel sei. Müller kann in seinem Rechenschaftsbericht vor allem auf steigende Mitgliederzahlen beim Paritätischen, aber auch auf wachsende Mitarbeiterzahlen in den Mitgliedsorganisationen verweisen. Am Nachmittag gab er symbolisch den Staffelstab des Landesgeschäftsführers und Direktors der Paritätischen BuntStiftung an seinen Nachfolger Stefan Werner weiter.
Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen, Ulrich Schneider, ließ in seiner Rede noch einmal die Zeit von 1989 bis heute Revue passieren. Der 9. November, der Tag des Mauerfalls, gab ihm den Anlass. Er erinnerte an die damalige soziale Situation in der alten Bundesrepublik, er blickte zurück auf eine Zeit, in der bei einem Rentenniveau von 56 Prozent und einer Langzeitarbeitslosigkeit von 600.000 Menschen sich viele Sorgen um den Sozialstaat machten. Und dann schlug er den Bogen zu heute: Sinkendes Rentenniveau derzeit bei 44 Prozent, eine Million Menschen, die seit 2005 nicht aus dem Hartz IV-Bezug herauskommen – und eine Gesellschaft, die das alles weitgehend hinzunehmen scheine. „Wir haben uns daran gewöhnt, dass vieles schlechter wird“, sagte er und machte deutlich, dass sich der Paritätische gegen diesen Prozess gestellt habe und weiter stellen werde. Maß und Kompass seien der Gesellschaft verloren gegangen, beklagte Schneider. Aus selbstverständlichen wirtschaftlichen Entwicklungen sei „fast eine Religion“ gemacht worden, die Ökonomisierung der Gesellschaft habe über die Ökonomie gesiegt. Auf diese Schieflage in der Gesellschaft und der Sozialpolitik gelte es immer wieder aufmerksame zu machen, so Schneider.
Auch Reinhard Müller (Foto) verwies noch auf viele Aufgaben, die vor dem Paritätischen, auch in Thüringen, liegen. Er nannte dabei den Ausbau des Sozialwirtschaftsportals, die Profilierung der Sozialwirtschaft als attraktiven Arbeitgeber, aber auch die Berücksichtigung der erfolgreichen Kita-Fachberatung der freien Träger bei der Novellierung des Kita-Gesetzes.
Die Grundzüge des neuen Landesprogramms „Solidarisches Zusammenleben der Generationen“ hatte zuvor Sozialministerin Heike Werner dargestellt. Sie sicherte dabei der Zivilgesellschaft und den freien Trägern eine intensive Einbeziehung in die Diskussionen zu. In einigen Workshops waren die Grundzüge des Programms schon landesweit vorgestellt werden. „Wir wollen eine frühzeitige und umfassende Beteiligung der freien Träger“, so Werner in der Mitgliederversammlung. Das Programm soll im kommenden Doppelhaushalt 2018/19 fest eingestellt und finanziell verankert werden. Grundsätzliches Ziel des Programms ist eine bessere Verknüpfung der sozialen Infrastruktur im Land.
Werner würdigte auch den Generationenwechsel, der sich mit dem Übergang von Reinhard Müller auf Stefan Werner (Foto) beim Paritätischen vollziehe. „Dieser Wechsel, so wie er vollzogen wird, kann auch beispielhaft für andere sein“, so Werner, die „eine gute Zeit des gemeinsamen Arbeitens“ mit Stefan Werner erwartet. Und für Reinhard Müller, bei dem sie sich einen wirklichen Ruhestand nicht vorstellen könne, wie sie sagte, hatte sie eine Empfehlung: „Bleiben Sie im Ringen um konstruktive Lösungen so unbequem wie bisher.“