Ministerpräsident Ramelow: Reinhard Müller ist ein „Glücksfall für Thüringen“ – Müller hofft auf ein „Zeichen für ein solidarisches Thüringen“
Neudietendorf, 12. Dezember 2016. Bodo Ramelow würdigt Reinhard Müller als das „Gesicht der Parität in Thüringen.“ 24,5 Jahre hat Reinhard Müller die Geschäfte des Paritätischen geführt, zum Jahresende scheidet er aus, an diesem Montag wurde er bei einer Festveranstaltung offiziell verabschiedet. Festredner wie Bodo Ramelow, aber auch dessen Vorgängerin Christine Lieberknecht, lobten das Engagement, seine Tatkraft, seinen Ideenreichtum. „Er wirkte als Motor und Antreiber, aber immer auch ausgleichend und moderierend“, sagte die Präsidentin der Paritätischen BuntStiftung, Evemarie Schnepel zu Beginn der Festveranstaltung. „Reinhard Müller war ein Glücksfall für Thüringen“, fasste Ramelow seine Laudatio zusammen (unser Bild zeigt ihn mit Reinhard Müller). „Das Land hat eine Menge von Dir bekommen, nutze jetzt die Gelegenheit, dieses Land zu genießen“, so der Regierungschef, der Müller für „ein Vierteljahrhundert tolle Arbeit“ dankte. Der Paritätische sei unter seiner Regie zum „Salz in der Suppe der Region“ geworden. Und wenn er etwas durchsetzen wollte, habe er das Ganze auch so hartnäckig betrieben, bis er entweder sein Ziel erreicht habe oder selbst das Vorhaben abgeblasen habe.
Der Anspruch „Wir gestalten Thüringen“ sei unter Müller immer wieder eingelöst worden, sagte Christine Lieberknecht, die frühere Ministerpräsidentin und Sozialministerin (unser Bild zeigt sie im Gespräch mit Christian Stadali). Müller sei ein „Kämpfer für die Schwachen“ gewesen, ein „Pionier des Aufbaus“, ein „Mahner für eine wertebasierte Politik“, ein „Netzwerker und Multiplikator“, so Lieberknecht in einer emotionalen Rede. Er habe als Geschäftsführer des Paritätischen immer dafür gestanden, nicht nur Not lindern zu wollen, sondern auch aktiv das Land mitgestalten zu wollen.
Zahlreiche Gäste aus Politik, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Kirchen waren gekommen, um sich bei Reinhard Müller für die jahrelange Zusammenarbeit zu bedanken. Unter den Gästen waren unter anderem der Erfurter Altbischof Joachim Wanke (links im Bild mit Reinhard Müller und Rolf Höfert), Sozialministerin Heike Werner, Justizminister Dieter Lauinger, viele Landtagsabgeordnete, aber auch viele Weggefährten aus den Reihen des Paritätischen.
Dr. Ulrich Schneider, der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen, der Reinhard Müller seit dessen Wechsel an die Spitze des Thüringer Verbandes kennt, sagte: „Wir werden Deinen Rat vermissen“. Er zeigte sich aber auch überzeugt, dass man zu Müllers Nachfolger, Stefan Werner, ein ebenso freundschaftliches und kameradschaftliches Verhältnis aufbauen werde. Schneider (Bild links bei seiner Rede) erinnerte auch an die Aufbauphase in Ostdeutschland nach der Wende, an die vielen unkonventionellen Entscheidungen, die seinerzeit zu treffen gewesen seien: „Die Vereinigung ist eben mit der bundesdeutschen Haushaltsordnung nicht vereinbar gewesen“, so Schneider.
An die ersten Jahre erinnerte auch die erste von drei Talkrunden. Brigitte Schramm, damals Vorstandsmitglied des Paritätischen, plauderte ein wenig aus dem Nähkästchen und erzählte Details aus dem Bewerbungsgespräch mit Müller im Jahre 1992. „Ich weiß noch, dass er zu spät kam und er trat sehr lässig auf.“ Allerdings sei allen schnell klar geworden, dass dort jemand komme, der eine Strategie im Kopf habe und der Visionen habe. Und Rolf Höfert, heute Vorstandsvorisitzender des Paritätischen und auch damals schon im Vorstand sagte: „Wenn dieser junge Mann Ihnen zum Bewerbungsgespräch gegenübersaß, konnte man nicht nein sagen.“ Frank-Michael Pietzsch, seinerzeit Sozialminister, lobte das ausgleichende Temperament Müllers, wenn ihn auch seine Mitarbeiter vor dem ersten Gespräch gewarnt hätten, er gehe jetzt „in die Höhle des Löwen“. Aber so schlimm war es dann auch nicht. Reinhard Müller hat sich immer als Lobbyist gesehen, Lobbyist einer guten Sache. „Auch der Sozialminister ist ein Lobbyist, nämlich für das Soziale, vor allem gegenüber dem Finanzminister“, ergänzte Pietzsch. Unser Bild links zeigt die Talkrunde mit Stefan Werner, Brigitte Schramm, Dr. Frank-Michael Pietzsch und Rolf Höfert.
Die Reformzeit der 2000er Jahre nahm die zweite Talkrunde unter die Lupe. Falko Albrecht, ehemaliger Geschäftsführer von Thepra, erinnerte daran, dass Müller es gewesen sei, der den Blickwinkel des Paritätischen auch über Thüringen hinaus nach Europa geweitet habe und nannte beispielhaft die Kontakte nach Kleinpolen. Die damalige CDU-Fraktionsvorsitzende und spätere Sozialministerin und Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht sagte, Müller habe sich immer als Anwalt der Armen im Land verstanden. Und in dieser Rolle hätte sie sich auch als Sozialministerin gesehen. Die Verdienste Reinhard Müllers für die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege hob Eberhard Grüneberg hervor.
Als „Lobbyist im guten Sinne“ erlebte auch Thüringens Sozialministerin Heike Werner (Linkspartei) Reinhard Müller. Im Gespräch mit Müllers Nachfolger Stefan Werner nannte sie den Paritätischen ausdrücklich als einen der wichtigsten zivilgesellschaftlichen Partner für ihre Politik und baute darauf, die bisher gute konstruktiv-kritische Zusammenarbeit mit dem Verband auch unter neuer Führung fortsetzen zu können.
Reinhard Müller selbst, der sich als „gnadenlosen Optimisten“ bezeichnete, nannte „geschulte Zuversicht“ als Paritätische Währung. Er habe sich immer für ein Überwinden des Denkens in Schablonen eingesetzt, sagte er. Der Paritätische, so erklärte er, sei ein „Einmischverband“. Der Paritätische habe „mit allen und allem zu tun, auch wenn diejenigen, um die es geht, das oft nicht wahrhaben wollen“. Eindringlich appellierte er in seiner Rede an die Politik, massiv öffentliche Investitionen zu fördern, „Investitionen in eine lebenswerte Gesellschaft“. Die öffentliche Hand müsse „massiv umsteuern“, mahnte er. „Wir müssen vom Gestalten zum Umsteuern kommen“, gab er dem Paritätischen mit auf den Weg und er fragte in Richtung Politiker: „Wie wäre es denn, wenn man dieses Umsteuern mal in Angriff nehmen würde.“ Er hoffe, dass von dieser Veranstaltung ein „Zeichen für ein solidarisches Thüringen“ ausgehen werde, so der Wunsch des scheidenden Landesgeschäftsführers.
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