407.000 Thüringerinnen und Thüringer sind arm: Paritätischer Armutsbericht: Freistaat liegt deutlich über dem bundesweiten Schnitt
Neudietendorf, 2. März 2017. Fast jeder fünfte Thüringer ist derzeit von Armut bedroht. Thüringen belegt mit einer Armutsquote von aktuell 18,9 Prozent nach dem jüngsten Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Platz zwölf unter den 16 Bundesländern. Im Freistaat ist der Prozentsatz derjenigen, die in Armut leben, innerhalb eines Jahres von 17,8 auf 18,9 Prozent gestiegen. Thüringen liegt mit dieser Armutsquote deutlich über dem bundesweiten Schnitt von 15,7 Prozent. Rein rechnerisch bedeutet das, das rund 407.000 Thüringerinnen und Thüringer als arm zu gelten haben.
Für Stefan Werner, den Landesgeschäftsführer des Paritätischen, zeigen diese Zahlen, dass „Lebenswirklichkeit, soziale Teilhabechancen und Zukunftsaussichten auch in Thüringen auseinanderdriften“. Er verwies unter auf den hohen Sockel an Langzeitarbeitslosen, die drohende Altersarmut für viele Menschen und die Kinderarmut in Thüringen: „Das ist angesichts eines reichen und starken Landes ein Skandal,“ so Werner.
Gerade in einer Zeit, in der die Arbeitslosenquote sinke seien die neuen Zahlen zur Armutsentwicklung ein Beleg dafür, dass das Problem der Ungleichhheit in Deutschland und in Thüringen dringend angegangen werden müsse. „Der Abbau sozialer Ausgrenzung und das Fördern der Teilhabe aller Menschen an der Gesellschaft und ihren Ressourcen muss das zentrale Anliegen der Thüringer Politik sein“, unterstrich Werner. Verteilungspolitische Korrekturen seien notwendig. Zum einen durch Anhebung von unteren Löhnen oder aber bessere Transferleistungen durch eine deutliche Erhöhung der Regelsätze für Hartz IV-Bezieher und eine ausreichende Existenzsicherung für Kinder, die nicht in Hartz IV belassen werden dürften. „Kinder sind keine kleinen Arbeitslosen“, kommentierte Werner die aktuellen Regelungen. Außerdem plädierte er für steuerpolitische Maßnahmen, um notwendige Reformen und Investitionen in Soziales, Bildung, Pflege, Kultur und Jugend solidarisch zu finanzieren.
Regional ist die Entwicklung in Thüringen höchst unterschiedlich. Den größten Sprung nach oben bei der Armutsquote gab es in Mittelthüringen von 17,4 auf 20,0 Prozent. Zu der Region zählen die Stätdte Erfurt, Weimar und die Kreise Gotha, Sömmerda, der Ilm-Kreis und der Kreis Weimarer Land. Ebenfalls nach oben gegangen ist die Quote in Ostthüringen (von 18,6 auf 19,3 Prozent) sowie in Südthüringen von 15,9 auf 16,8 Prozent. Einen Trend nach unten, wenn auch nur leicht, gab es im Norden des Freistaates. Dort sank die Quote von 19,4 auf 19,0 Prozent.
Innerhalb der vergangenen zehn Jahre ist die Armutsquote in Thüringen um einen Prozentpunkt gesunken, von 19,9 auf 18,9 Prozent. Den besten Wert gab es 2011 mit 16,7 Prozent.
Weitere Informationen und den vollständigen Armutsbericht finden Sie im Netz unter
http://www.der-paritaetische.de/armutsbericht
Zur Sache:
Als einkommensarm wird in dem Bericht des Paritätischen jede Person gezählt, die mit ihrem Einkommen unter 60 Prozent des mittleren Einkommens liegt. Dabei handelt es sich um das gesamte Nettoeinkommen des Haushaltes, inklusive Wohngeld, Kindergeld, Kinderzuschlag, anderer Transferleistungen oder sonstiger Zuwendungen. Es geht nicht um das Bruttoerwerbseinkommen. Die Armutsschwelle für einen Single ohne Kinder liegt damit bei 942 Euro, für ein Paar ohne Kinder bei 1413 Euro, bei einem Alleinerziehenden mit zwei Kindern unter 14 Jahre bei 1507 Euro und bei einem Paar mit zwei Kindern bei 2355 Euro.
Tags: Armut, Armutsquote, Armutsgefährdungsquote, Armutsbericht