Vielfalt in der Gesellschaft aktiv mitgestalten – Fachtag „Fit fürs MitEinander“
Neudietendorf, 5. April 2017. Eine elektrische Schreibmaschine in der heutigen Zeit noch zu finden – das gestaltete sich bei den Vorbereitungen des Fachtages „Fit fürs Miteinander – Gelingensbedingungen und Stolpersteine interkultureller Öffnung“ als besonders schwierig. Schließlich stöberte eine Mitarbeiterin von parisat doch ein solches Exemplar auf dem heimischen Dachboden auf – und siehe, sie funktionierte sogar noch. Auf dieser Schreibmaschine konnten die Teilnehmenden des Fachtages dann aufschreiben, wie für sie ganz persönlich ein Miteinander aussieht. „Offenheit und Empathie sind die ersten Schritte zum Verstehen“, stand da zu lesen. Oder auch „Fremde sind wir alle irgendwo auf der Welt.“ Stefan Werner, der Landesgeschäftsführer des Paritätischen brachte es in der Podiumsdiskussion auf den Punkt: „Wir müssen lernen, Anderssein auszuhalten.“
Die Vielfalt in der Gesellschaft aktiv mitzugestalten – das ist nach Werners Worten die zentrale Aufgabe, der man sich in Deutschland stellen muss. Das Land könne es sich weder gesellschaftlich noch wirtschaftlich leisten, die Integration nicht voran zu treiben, unterstrich Werner und sah darin auch eine Herausforderung auf allen Ebenen der Wohlfahrtspflege. Organisationen und Vereine müssten eine deutliche Standortbestimmung vornehmen, wobei Pluralität und Vielfalt der Lebenswelten schon heute eine Selbstverständlichkeit im Paritätischen seien. Unter Hinweis auf den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel machte Werner deutlich, dass man es sich gesellschaftlich und wirtschaftlich gar nicht leisten könne, die Integration nicht voran zu treiben.
Die elektrische Schreibmaschine auf einem Tisch und Bilder auf einer Wäscheleine – diese Dekoration des Fachtages war dem Projekt „Raum für Gedanken“ nachempfunden, mit dem Kathrin Ollroge und ihr Team von August bis Dezember 2015 in fünf Thüringer Landkreisen und der Landeshauptstadt Erfurt unterwegs waren. Das mobile Wohnzimmer wurde vor Einkaufszentren, auf Marktplätzen und in Neubaugebieten aufgebaut. Mehr als 300 Gespräche wurden geführt – mit Frauen und Männern, mit Jugendlichen und Kindern, mit Einheimischen und Menschen, die erst vor kurzem nach Thüringen gekommen sind. Und diese Gespräche wurden ausführlich protokolliert. Manche dieser Protokolle sind nur wenige Sätze lang, andere umfassen ganze Seiten. Sie wurden von den Interviewten selbst auf der elektrischen Schreibmaschine in eben diesem mobilen Wohnzimmer getippt. „Protokollantin des Unbehagens“ – so titelte die taz im September 2015 über das Projekt von Kathrin Ollroge. Herausgekommen sind eindrucksvolle Dokumente, aus denen die Befragten ihre Haltung in ihrer eigenen Sprache wiedergeben konnten.
Interkulturelle Öffnung ist eine Managementaufgabe im harten Sinn und muss alle Ebenen einer Organisation umfassen. Das machte Mario Heller, der Leiter der Personalentwicklung und des Bildungswesens im Generalsekretariat des Deutschen Roten Kreuzes in seinem Input deutlich. Die Verbände müssten sich immer wieder fragen lassen, ob die Zusammensetzung ihres Personals auch die gesamte Gesellschaft widerspiegelt.
Ohne die Menschen vor Ort kann interkulturelle Öffnung nicht gelingen. Darüber waren sich die Teilnehmenden des Fachtages einig. Die einheimische Bevölkerung wie auch die zugewanderten Menschen müssten auf dem Weg zu einem besseren Miteinander mitgenommen werden. Und dazu ist noch eine ganze Menge an Arbeit zu leisten. Voraussetzungen sind unter anderem: Neugier, gegenseitiger Respekt, Begegnung auf Augenhöhe, eine gewisse Lockerheit und auch genügend Zeit, um auf andere zuzugehen.
Antje Steinborn von parisat und Wolfgang Volkmer von der Kindersprachbrücke Jena als Antragsteller und Initiatoren des Projektes wiesen darauf hin, dass der Fachtag der Auftakt für das Projekt „Fit fürs Miteinander“ ist. Anmeldungen zu dem Angebot sind weiterhin möglich unter www.parisat.de