Anastasiya Sabatkouskaya hofft auf eine friedliche Revolution in Belarus – Vortrag in der Krügervilla
Neudietendorf, 13. April 2017. Anastasiya Sabatkouskaya (Bild) verfolgt die Nachrichten aus ihrer Heimat Belarus (ehem. Weißrussland) mit großer Aufmerksamkeit. In Minsk und anderen Städten gehen die Menschen auf die Straße, wehren sich gegen das Regime von Präsident Lukaschenko. Anlass: die so genannte „Schmarotzersteuer“, eine von der Regierung auferlegte Abgabe für alle, die weniger als 183 Tage im Jahr gearbeitet haben. Sie werden dazu verpflichtet, umgerechnet rund 200 Euro pro Jahr zu zahlen. „Damit greift man Menschen in die Tasche, die sowieso nichts haben“, gibt Anastasiya Sabatkouskaya, die heute in Thüringen lebt, die Meinung ihrer Landsleute wieder. Aber sie weiß auch: Die Weißrussen sind ein „duldsames Volk“, wie sie sagt. Sie hofft darauf, dass den Menschen in dem Land irgendwann doch der Geduldsfaden mit dem Autorkaten Lukaschenko reißt, auch wenn sie nicht weiß, was dann möglicherweise passieren wird. Sie hat Angst davor, dass die Regierung in einem solchen Fall brutal zurückschlagen würde. Anastasiya Sabatkouskaya arbeitet als Flüchtlingskoordinatorin beim Paritätischen Thüringen in Neudietendorf. Am Dienstag, 25. April, wird sie um 19 Uhr in der Krügervilla über ihr Heimatland sprechen.
Historisch wie politisch ist Belarus, zwischen Europa und Russland gelegen, ein hochinteressantes Land mit einer reizvollen Natur, mit gastfreundlichen, offenen und bescheidenen Menschen. Für viele Weißrussen bietet es aber kein sicheres Zuhause mehr. Bei dem Vortragsabend berichtet sie über ihr früheres Leben in Weißrussland und gibt Einblicke in politische Strukturen und Hintergründe. Und sie gibt Antwort auf die Frage, warum sie nicht wieder zurück möchte.
Bevor sie 2013 nach Deutschland kam, betätigte sie sich in Weißrussland schon politisch, in einer Jugendorganisation, ähnlich dem Bundesjugendring. Die Oppositionsarbeit, die dort geleistet wurde, wurde vom Regime Lukaschenko bis zu einem gewissen Grad toleriert. Allerdings litten die Aktiven seinerzeit schon unter harten Auflagen. Sie durften für ihre Tätigkeit keine Werbung machen, der Zutritt zu Schulen war ihnen verwehrt. „Solche Aktivitäten werden solange toleriert, bis sie zu erfolgreich werden“, sagt Anastasia Sabatkouskaya. Selbstverständlich hatten die jungen Leute immer den Verdacht, dass sie überwacht wurden. Deshalb ergriffen sie entsprechende Vorsichtsmaßnahmen. Möglichst wenig bis gar nichts wurde schriftlich festgehalten, wenn überhaupt, dann allerdings nur in verschlüsselter Form. Es wurden für die Kommunikation Tarnnamen benutzt, Eltern und Freunde waren über das, was die jungen Leute genau machten, nur teilweise informiert.
Das Repressionssystem hat sich ihrer Einschätzung nach in den vergangenen Jahren weiter verschärft. „Ich glaube, heute wäre nicht mehr möglich, was wir damals gemacht haben.“ Und die Bevölkerung in Belarus ist durch die ständige Propaganda weitgehend entpolitisiert. Viele haben sich in ihr privates Umfeld zurückgezogen, weil sie den Eindruck haben, dass sie doch nichts bewegen können. Und auch der Verband, in dem Anastasia Sabatkouskaya selbst einmal tätig war, hat sich von politischen Themen weitgehend entfernt.
„Ich habe nie geplant zu migrieren“, sagt die junge Frau. Aber als sich ihr über eine Ausschreibung des Bundestages für ein internationales Parlamentsstipendium die Möglichkeit für einen Wechsel bot, ergriff sie die Gelegenheit beim Schopfe. In der SPD-Fraktion im Bundestag war sie als Praktikantin tätig, dort erfuhr sie auch von der Willy Brandt School in Erfurt. Dort machte sie ihren Master of Public Policy und ist jetzt als Flüchtlingskoordinatorin beim Paritätischen Thüringen tätig. Hier unterstützt sie in einem engagierten Team Geflüchtete dabei, in sozialwirtschaftlichen Berufen in Deutschland Fuß zu fassen. Mittlerweile fühlt sie sich auch in Erfurt mehr zu Hause als in Minsk, sagt sie. Wie sehr sie für Erfurt schwärmt, spürt man, wenn sie von den alten Gebäuden in der Landeshauptstadt erzählt, wenn sie von der wunderschönen Altstadt schwärmt.
Den Kontakt nach Belarus und zu ihrer Familie hält sie weiterhin. Aber wenn sie in ihre alte Heimat fährt, dann beschleicht sie bei den Zollkontrollen an der Grenze immer wieder ein ungutes Gefühl. „Man weiß nie, was gerade entschieden wird.“ Die Ereignisse dort verfolgt sie mit Engagement und mit Sympathie für diejenigen, die dort gegen Lukaschenko auf die Straße gehen. Sie will sie hier in Deutschland unterstützten – und zwar dadurch, dass sie über die Lage in Belarus berichtet, dass sie davon erzählt, wie die Menschen denken, wie sie leben und wie schlecht es ihnen auch wirtschaftlich geht. Vor dem Hintergrund der von Lukaschenko betriebenen Entpolitisierung der Bevölkerung sind die aktuellen Demonstrationen für sie ein Hoffnungszeichen. Sie denkt dabei an die friedliche Revolution in der früheren DDR und hofft auf eine ähnliche Entwicklung auch in ihrem Heimatland. „Dann wäre Belarus auch nicht mehr so isoliert.“
Als sie neulich in der ehemaligen Stasi-Haftanstalt in der Erfurter Andreasstraße bei einer Veranstaltung war, in der an die Besetzung der Stasi-Zentrale im Winter 1989 erinnert wurde, hatte Anastasia Sabatkouskaya einen Traum: „Vielleicht kann in 25 oder 50 Jahren auch in Weißrussland ein solches Fest nach einer friedlichen Revolution gefeiert werden.“
Der Vortrag von Anastasiya Sabatkouskaya „Weißrussland – warum ich nicht zurück möchte“ findet am Dienstag, 25. April, 19 Uhr in der Krügervilla in Neudietendorf statt.