Voraussetzungen für gelingende Inklusion an den Schulen schaffen – Forsa-Studie zeigt: Lehrer sind skeptisch
Neudietendorf/Erfurt, 31. Mai 2017. Eine neue Forsa-Umfrage hat das Thema inklusive Schule wieder in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt. Danach sieht jeder zweite Lehrer in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung skeptisch. Sie beklagen vor allem einen Mangel an Personal. Der Paritätische unterstützt grundsätzlich das Ziel einer inklusiven Schule in Thüringen. Allerdings erwartet der Verband auch, dass eine ganze Reihe wichtiger Punkte in einem künftigen Schulgesetz verankert werden sollen, damit Inklusion auch wirklich gelingen kann. Dazu zählt beispielweise das „Mehr-Pädagogen-Prinzip“. Der Verband könnte sich durchaus vorstellen, dass an jeder Schule ein festes Team von Schulbegleitern installiert wird. „So würde Kontinuität und Verlässlichkeit in der Betreuung ermöglicht und in die Schulstruktur eingebunden.“ Außerdem sollte die Möglichkeit bestehen, über außerordentliche Bedarfe von Kindern zu verhandeln.
Die Skepsis bei den Lehrerinnen und Lehrern in Mitteldeutschland gegenüber dem gemeinsamen Unterricht ist groß. Nur 49 Prozent der Pädagogen sagen Ja zu einem gemeinsamen Unterricht,44 Prozent geben den Förderschulen den Vorzug. Die Lehrerinnen und Lehrer beklagen zudem, dass Fachpersonal fehlt. 16 Prozent der Befragten in Mitteldeutschland gaben an, an ihrer Schule gebe es werde Sozialpädagogen noch Sonderpädagogen, Psychologen noch medizinische Assistenten.
Die öffentliche Reaktion auf die Forsa-Studie war groß. Der Vorsitzende des Thüringer Lehrerverbandes, Rolf Busch, sagte, die Studie zeichne ein „desaströses Bild“. Er forderte, das Inklusionsgesetz auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Die CDU-Fraktion im Landtag fordert, neben dem inklusiven Unterricht auch Förderschu8len in ausreichender Form zu erhalten.
Bildungs-Staatssekretärin Gabi Ohler sagte, die Regierung nehme die Befürchtungen sehr ernst. Wichtig sei aber, dass niemand die Inklusion als solche in Frage stelle, es gehe lediglich um das Wie. Der gemeinsame Unterricht finde in Thüringen an 89 Prozent aller Schulen statt.
Die grüne Bildungspolitikerin Astrid Rothe-Beinlich bezweifelte, dass die Umfrage wirklich repräsentativ sei. Es seien gerade einmal in Mitteldeutschland 250 Lehrkräfte befragt worden.An dem Thüringer Entwicklungsplan Inklusion werde festgehalten. Voraussichtlich noch in diesem Jahr werde die Landesregierung eine Schulgesetznovelle vorlegen.
Nach Ansicht des PARITÄTSICHEN sind neben dem „Mehr-Pädagogen-Prinzip“ noch folgende Punkte für eine gelingende inklusive Bildung an den Schulen in Thüringen wichtig:
- Förderzentren müssen grundsätzlich als Schulform und anerkannter Bildungsort in allen Regionen Thüringens vorgehalten werden
- Das Elternwahlrecht muss bei der Wahl der Schulform und des Schulorts eine wesentliche Rolle spielen
- Eine Begutachtung der Schülerinnen und Schüler erst nach der Schuleingangsphase wird als kritisch bewertet. So werden möglicherweise Bildungschancen bei erst verspätet festgestellten Bedarfen der Kinder verschenkt.
- Die bisherige Praxis der Begutachtung durch entsprechend qualifiziertes Personal bei den freien Schulträgern muss als Option erhalten bleiben. Geplant ist durch das Ministerium aktuell die alleinige Begutachtung aller Kinder durch den diagnostischen Dienst der Schulämter.
- Für freie Förderschulen müssen Regelungen enthalten sein, die ihnen die Möglichkeit geben, eigene Wege zu gehen und Modelle inklusiver Schule zu erproben, die nicht immer einer klassischen Schulart entsprechen.
- Eine unabhängige Beratung muss im Gesetz verankert sein.
- Allen Thüringer Schulen sind barrierefreie Zugänge, Raumnutzung und technische Unterstützung zu gewährleisten
- Inklusive Vorbereitungs- Fort- und Weiterbildungskonzepte sind zu entwickeln.
Tags: Inklusion, Inklusives Schulgesetz