Paritätischer zum Koalitionsvertrag: Große soziale Aufgaben werden nicht oder nur sehr unzureichend angegangen
Berlin/Neudietendorf, 12. Februar 2018. In dem Koalitionsvertrag, den Union und SPD ausgehandelt haben, ist von einer neuen Dynamik und Plänen für eine offensive Sozialpolitik nichts zu erkennen. Zu dieser Einschätzung kommen die Fachleute des Paritätischen nach einer ersten Auswertung des fast 180ß Seiten starken Papieres. „Im Detail finden sich zwar viele richtige Ansätze, die großen sozialen Aufgaben werden jedoch nicht oder nur sehr unzureichend angegangen“, heißt es in der Analyse des Verbandes.
Besonders kritisiert wird der Verzicht auf zusätzliche Steuereinnahmen, etwa durch eine stärkere Besteuerung sehr hoher Einkommen und hoher Vermögen. Das sei das grundlegende Manko dieses Koalitionsvertrages, so die Fachleute. „Dringend notwendige sozialpolitische Maßnahmen – von höheren Leistungen der Grundsicherung bis hin zu familienpolitischen Leistungsverbesserungen – seien ohne zusätzliche Steuermittel nicht realisierbar. Das Gleiche gelte für den dringend notwendigen Ausbau kommunaler und sozialer Infrastruktur, worunter auch die Förderung sozialer gemeinnütziger Dienstleistungen und Angebote fallen. Zusätzlich werde die geplante weitgehende Abschaffung des Solidaritätszuschlages die finanziellen Spielräume und politischen Gestaltungsmöglichkeiten weiter verringern. „Kleine und mittlere Einkommen werden dagegen von der Abschaffung kaum profitieren.“
Der Paritätische befürchtet, dass die in Aussicht gestellten sozialpolitischen Projekte unterfinanziert bleiben werden. „Regionale und soziale Spaltungen können so nicht überwunden werden, sondern laufen Gefahr, eher noch vertieft zu werden“, so die Experten.
Die Expertise der Fachleute macht an verschiedenen Punkten deutlich, wo die Vereinbarungen der Unterhändler bei weitem nicht ausreichen. Beispiel sozialer Wohnungsbau. Der Koalitionsvertrag formuliert das Ziel, dass der soziale Wohnungsbau mindestens auf dem heutigen Niveau verstetigt werden müsse. Dafür soll der Bund in den Jahren 2020 und 2021 mindestens zwei Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau bereitstellen. Diese zweckgebundene Förderung ist aus paritätischer Sicht zu begrüßen, reicht allerdings nicht aus. Berechnungen gehen von einem Bedarf an öffentlichen Investitionen von jährlich drei Milliarden Euro aus, um die Förderung des sozialen Wohnungsbaus nachhaltig und dauerhaft zu sichern.
Kritisiert wird vom Paritätischen auch, dass es in der Frage einer echten finanziellen Entlastung und Gerechtigkeit im gesundheitlichen Versorgungssystem zu keiner Einigung gekommen ist. Die Forderung des Paritätischen ist klar: Die Zweiteilung von privater und gesetzlicher Krankenversicherung muss aufgehoben werden und alle Einkommensarten müssen gleichermaßen in das Krankenversicherungssystem einbezogen werden. Und das heißt konkret, dass der Paritätische weiterhin die Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung verlangt.
Die ausführliche fachliche Einschätzung des Paritätischen zum Koalitionsvertrag lesen Sie im Anhang.
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