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Beschämen statt Trösten – Psychische Gewalt gegen Kinder in Kitas bleibt oft unentdeckt

In der neuesten Ausgabe 03/23 des Magazins Kinderschutz vom Deutschen Kinderschutzbund Bundesverband e.V. ist u.a. ein spannender Artikel von Reimund Schröter vom Team Fachberatung Kita des Paritätischen Thüringen zu psychischer Gewalt in Kindertageseinrichtungen zu finden:

 

Psychische Gewalt ist die häufigste Form von Gewalt gegen Kinder in Kindertageseinrichtungen. Sie bleibt oft unentdeckt oder wird nicht adäquat bearbeitet.

Gewalt ist die Macht und das Recht, über etwas oder jemanden zu bestimmen. In einer Gesellschaft ist der Begriff nicht immer negativ zu bewerten. Denn für die Kontrolle einer Gesellschaft und die Umsetzung von Gesetzen ist Gewalt auch etwas Notwendiges, zum Beispiel bei der Gewaltenteilung. In Kindertageseinrichtungen (Kitas) ist eine solche Kontrolle oder Befugnis notwendig, um die von den Personensorgeberechtigten auf die pädagogischen Fachkräfte übertragene Fürsorge- und Aufsichtspflicht sicherzustellen und alle Kinder vor Gefahren zu schützen.

Dienen diese Macht und Kontrolle jedoch nicht dem Schutz von Kindern sondern der Erfüllung von Bedürfnissen oder Wünschen von Erwachsenen oder gefährden das Wohl von Kindern, dann ist ein institutioneller Kinder- und Gewaltschutz notwendig. Kinder haben ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung, in der kein körperlicher oder seelischer Zwang angewendet werden darf.

Psychische Gewalt gegen Kinder in Kitas und deren Auswirkungen und Konsequenzen sind nicht immer gleich zu erkennen und können oft auch von Kindern nicht artikuliert werden (zum Beispiel, weil jüngere Kinder noch nicht sprechen können). Diese Gewaltform kann sich jedoch dauerhaft beeinträchtigend auf die Entwicklung der seelischen Gesundheit von Kindern auswirken.

In der sozialen Interaktion und Kommunikation von pädagogischen Fachkräften gegenüber Kindern kann psychische Gewalt auftreten, wenn sie in Inhalt, Betonung und Lautstärke grenzverletzend und/oder übergriffig sind. Konkrete Beispiele sind das Anschreien von Kindern (zum Beispiel Adultismus), die bewusste Ablehnung von Kontaktaufnahmen, das Herab- oder Geringschätzen von erbrachten Leistungen, das Diskriminieren bei erwartungswidrigen Verhaltensweisen oder Persönlichkeitseigenschaften (zum Beispiel Etikettierungen wie „der Bummelletzte“ oder „die Zicke“), der soziale Ausschluss aus der Gruppe oder von Angeboten, das Verweigern emotionaler Fürsorge (zum Beispiel Trost spenden), das Vergleichen von Kindern untereinander, der Zwang zum Essen oder Schlafen, das Androhen von Strafen oder das Bloßstellen und Beschämen und vieles andere mehr.  

Warum kommt es zu psychischer Gewalt in Kitas?

Die Ursachen von psychischer Gewalt sind ebenso vielschichtig wie deren Formen. Es hat mit jedem Menschen selbst, der persönlichen Haltung und den Erziehungseinstellungen als auch den erlebten Erfahrungen zu tun. Hat jemand selbst negative Erfahrungen mit Gewalt in der eigenen Kindheit gemacht und ist dies nicht professionell aufgearbeitet worden, kann sich die Wahrscheinlichkeit der Übertragung auf das eigene Handeln erhöhen. Wenn man Gewalt als eine vorgelebte Alternative erfahren hat, kann diese in Grenzsituationen (zum Beispiel bei Überforderung) zu einer eigenen Handlungsoption werden. Aber auch aktuelle persönliche Belastungen in der eigenen Lebenssituation, psychische Erkrankungen oder eine geringe Stress-Toleranz einzelner pädagogischer Fachkräfte können die Anwendung psychischer Gewalt begünstigen.

Zusätzlich haben die strukturellen Rahmenbedingungen in Kindertageseinrichtungen signifikante Auswirkungen auf das Arbeitsklima und die personellen Ressourcen, die zur Bewältigung des pädagogischen Alltags zur Verfügung stehen. Werden zu viele Kinder, in zu kleinen Räumen von zu wenigen pädagogischen Fachkräften (zum Beispiel unzureichender Fachkraft-Kind-Schlüssel oder zu hohe Ausfallzeiten) betreut, nimmt die Wahrscheinlichkeit von Stress- und Überforderungssituationen zu, die das Vorkommen von Gewalt und individuellem Fehlverhalten erhöhen können.

Wenn mit dauerhaften Überlastungsanzeigen pädagogischer Fachkräfte oder bereits beobachtetem Fehlverhalten von Seiten der Verantwortungsträger nicht lösungsorientiert umgegangen wird und konsequent für Unterstützung gesorgt wird, läuft man sehenden Auges in die Gefahr von Grenzverletzungen, Übergriffen und Gewalt gegenüber Kindern.

 

Wie oft kommt psychische Gewalt in Kitas vor?

Es gibt keine flächendeckenden Statistiken. Die Dunkelziffer ist in jedem Fall wesentlich höher als die tatsächlich erfassten Fälle. Durch die Verabschiedung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes auf Bundesebene mit verbindlich zu etablierenden Kinder- und Gewaltschutzkonzepten in allen betriebserlaubnispflichtigen Einrichtungen ist es zu einer hohen Sensibilisierung für dieses Thema gekommen und beobachtete Fälle psychischer Gewalt werden wesentlich häufiger gemeldet und konsequenter bearbeitet als früher.

Was muss passieren, um Gewalt in Kitas zu verhindern?

Auf politischer Ebene ist es dringend erforderlich, vergleichbare und qualitativ passgenaue gesetzliche Rahmenbedingungen für alle Kitas in Deutschland zu schaffen, die Ausbildungszahlen pädagogischer Fachkräfte zu erhöhen und die Ausbildungsqualität zu verbessern, Fachberatung als kontinuierliche Prozessbegleitung in allen Kindertageseinrichtungen zu etablieren sowie die Themen Kinderrechte und Kinderschutz ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu stellen.

Auf der Träger- und Leitungsebene ist es wichtig, gesunde und bedarfsgerechte Arbeitsbedingungen zu schaffen, gelebte Kinder- und Gewaltschutzkonzepte zu etablieren, konsequent mit der Meldung und Bearbeitung von institutionellen Kinderschutzfällen umzugehen und für kontinuierliche Reflexionszeiten und Qualifizierungsmöglichkeiten des pädagogischen Personals zu sorgen.   

Auf der Teamebene der pädagogischen Fachkräfte braucht es eine wertschätzende Kommunikation und bedarfsorientierte Unterstützung untereinander sowie eine offene und transparente Fehlerkultur und Fehlerfreundlichkeit ausgehend von einem gemeinsam entwickelten Verhaltenskodex, dessen Leitbild für die pädagogische Arbeit von einem kinderrechtsbasierten Kinderschutz ausgehen muss.     

Reimund Schröter, Referent für Kindertageseinrichtungen, Der Paritätische, Landesverband Thüringen e.V.

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Fachlicher Koordinator | Fachberater

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Fachberatung für Kindertageseinrichtungen (§11 ThürKigaG) Zusätzliche Fachberatung Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ Fachberatung Modellprojekt „Vielfalt vor Ort begegnen"

036202 26-285

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