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Building Tomorrow's Europe: "Jugendarbeit in Europa weiß um ihre Stärken und Qualitäten"

Die Fachteilnehmer waren sich einig: Jugendarbeit und Jugendpolitik in Europa bieten einen Mehrwert, der durch nichts zu ersetzen ist. 462 Expertinnen und Experten aus 42 Ländern kamen auf Einladung von JUGEND für Europa vom 7. bis 8. Mai 2013 in das World Conference Center, den ehemaligen Bundestag in Bonn.

Der Fachkongress über europäische Jugendarbeit und Jugendpolitik diskutierte unter dem Titel „Building Tomorrow’s Europe“ die Perspektiven junger Menschen und der jugend-politischen Bedingungen. Anlass war das 25-jährige Jubiläum der EU-Jugendprogramme und von JUGEND für Europa. Im Plenum und in 28 Workshops diskutierten Wissenschaftler/innen, Verantwortliche aus Politik und Verwaltung aus allen Ebenen, Fachleute aus Jugendarbeit und Jugendpolitik, Vertreter/innen von Jugendorganisationen und Jugendvertreterinnen und -vertreter.

In sieben Themenbereichen spiegelte sich die Entwicklung der letzten 25 Jahre: Jugendpolitik in Europa, nicht formales und informelles Lernen, Professionalisierung von Jugendarbeit, aktive europäische Bürgerschaft, gleiche Chancen und Diversität, Mobilität zu Lernzwecken und Jugendpartizipation in Politik und Gesellschaft. Hans-Georg Wicke, Leiter von JUGEND für Europa und Gastgeber des Kongresses, brachte es auf den Punkt: „Es hat sich Einiges getan. Die fachlich hochkarätige Besetzung von Plenum und Workshops zeigen deutlich, dass Jugendpolitik und Jugendarbeit den Hinterhof Europas verlassen und viel Selbstbewusstsein gewonnen haben.“

Jugendarbeit, so der allgemeine Eindruck, vergewissert sich zunehmend ihrer professionellen Grundlagen und Besonderheiten:

  • Theoretische und praktische Modelle von Jugendpartizipation, der Anerkennung nicht formaler Bildung oder europäischer Bürgerschaft wurden auf hohem Niveau erörtert. Die vielen wissenschaftlichen Inputs zeugten von einer neuen Nähe zur Forschung, nicht nur über die Situation Jugendlicher, sondern auch zu fachlichen Fragen des jeweiligen Arbeitsbereichs.
  • Gleichzeitig wurde deutlich, wie sich Jugendarbeit in den letzten Jahren zunehmen politisiert hat. Aus der Erfahrung, dass sie sich für die erforderlichen Bedingungen selbst einsetzen muss, wenn es niemand anders tut, thematisiert sie die Jugendpolitik als eigenes Feld und jugendpolitisches Engagement als zivilgesellschaftliche Verantwortung.
  • Jugendarbeit hat ihren professionellen und politischen Blick geöffnet. Sie agiert und denkt zunehmend europäisch. Fachliche Fragen lassen sich in europäischen Kontexten, jenseits nationaler Strukturzwänge, oft leichter und grundsätzlicher stellen. So wurden in den Workshops europäische Vernetzungsaktivitäten vorgestellt, die der Jugendarbeit und ihrem Mehrwert in Europa eine Stimme geben wollen. Damit wurde auch der Bedarf für die Förderung europäischer NGOs betont.
  • Die europäische Debatte bezieht sich schon lange auf mehr als internationale Jugendarbeit. Vielmehr wächst eine europäische Community heran, die einen prägnanter werdenden Fachdiskurs führt und daraus jugendpolitische Forderungen ableitet.

Für diese Entwicklungen haben das EU-Jugendprogramm und die in dessen Rahmen arbeitenden Agenturen einen unverzichtbaren Rahmen geschaffen. Seine Wirkung geht über die eines Finanzierungsinstruments weit hinaus. Es bietet Anlässe, Plattform, Formate und Strukturen für Qualitätsentwicklung und politische Interessenvertretung. Folgerichtig landeten die meisten Überlegungen um die Zukunft der Jugendarbeit in Europa beim noch nicht abgeschlossenen Verhandlungsprozess über das neue Programm für Bildung, Jugend und Sport ab 2014 und in der Besorgnis um eine angemessene jugendpolitische Ausrichtung des Programms.

Darüber, welche Rahmenbedingungen ab 2014 notwendig sind, waren sich alle einig:

  • Ein eigenständiges Jugendkapitel im neuen integrierten Programm ist aus Sicht der Konferenzteilnehmenden von unmittelbarer Bedeutung und Voraussetzung für die Wirkungsfähigkeit des Programms auf junge Menschen, Jugendarbeit und Jugendpolitik in Europa.
  • Das allein reicht aber nicht. Ohne eine spezifische Budgetlinie für das Jugendkapitel, die alle drei Aktionstypen des neuen Programms beinhaltet, bliebe das Konstrukt ein Rückschritt im Vergleich zum gegenwärtigen Programm. Dieses Budget müsse, so die häufig wiederholte Forderung, angemessene finanzielle Ressourcen für die grenzüberschreitende Mobilität junger Menschen, Jugendarbeit und die jugendpolitische Zusammenarbeit in Europa bereitstellen und dürfe auf keinen Fall unter den des bisherigen Anteils von JUGEND IN AKTION am Gesamtvolumen der jetzigen Programme sinken. So sahen die Konferenzteilnehmenden das bisher vorgeschlagene Finanzvolumen als unzureichend an und unterstützten die Forderung des Europäischen Parlaments nach mehr Mitteln innerhalb des Mehrjährigen Finanzrahmens für Jugend.
  • Noch mehr Bauchschmerzen machten den Konferenzteilnehmenden erste Informationen zum geplanten Handbuch. Was nutzt ein eigenständiges Jugendkapitel, so die Sorge, wenn es dazu keinen ausreichenden Widerhall in der konkreten Gestaltung des Programms gäbe. Neben der finanziellen Ausstattung sind es die Förderbedingungen, inhaltliche Schwerpunkte und Zielsetzungen, die Ausgestaltung der Aktionen sowie Formate, die darüber entscheiden, ob das künftige Programm den Bedürfnissen europäischer Jugendarbeit entgegenkommt und deren Entwicklung unterstützt. Der bisherige Diskussionsprozess über die Richtlinien, Verfahren und Förderformate jedenfalls signalisiert eine unzureichende spezifische Ausgestaltung des Jugendkapitels, lässt bestimmte Förderungen vermissen, würde die Zugänge der Zielgruppen und Antragstellenden aus dem Bereich der Jugendarbeit in Europa erschweren und damit den Erfolg der Programmumsetzung gefährden. Zudem, so das geäußerte Unbehagen, verlaufe der Diskussionsprozess zu intransparent und wenig partizipativ.
  • Nicht zuletzt am Namen hängt viel: Die Teilnehmenden der Konferenz kritisierten den bisher vorgeschlagenen Programmnamen „Erasmus für alle“ als falsches jugendpolitisches Signal. Die Anliegen junger Menschen, Jugendpolitik und Jugendarbeit benötigten Sichtbarkeit in Europa und seinen politischen Strategien und Maßnahmen, so die Meinung – und dazu zähle auch der Erhalt des eingeführten ‚Markennamens‘ JUGEND IN AKTION.
  • Nicht nur, weil es eine Geburtstagsfeier war, machten zahlreiche Gratulanten und Laudatoren deutlich, wie wichtig die Rolle der Nationalagenturen für den Erfolg der Umsetzung des Programms in Europa und dessen Wirkungen auf Jugendarbeit und Jugendpolitik in den letzten 25 Jahren war. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hoffen darauf, dass auch in einem neuen Programm den Nationalagenturen ein entsprechender unterstützender Auftrag erteilt wird und dafür die entsprechenden Mittel und Möglichkeiten zur Verfügung stehen.

Pascal Lejeune, Leiter des Referats für die Umsetzung des Programms JUGEND IN AKTION, warb um Verständnis für die Zusammenlegung der Programme. Eine Konzentration auf die zentralen Herausforderungen wie Jugendarbeitslosigkeit sei für viele Mitgliedstaaten angesichts der Finanzkrise vorrangig, erklärte er in der abschließenden Podiumsdiskussion.

Bis dahin hatten sich die meisten Teilnehmenden in den Workshops allerdings schon ein Bild dazu machen können, welche Folgen die Finanzkrise und die Enttäuschung über die Politik bei Jugendlichen sonst noch haben: Politikverdrossenheit, antidemokratische Tendenzen, Xenophobie und ein Mangel an Solidarität und Zugehörigkeitsgefühl. Der ökonomische Druck, da war man sich einig, macht Jugendarbeit nicht zum Luxus oder reduziert sie auf Beschäftigungsförderung. Im Gegenteil: Jugendliche brauchen Unterstützung in ihrer sozialen Entwicklung und gesellschaftlichen Rolle. Für beides, so der Tenor, brauche man eine starke und qualitätsvolle Jugendarbeit und Jugendpolitik. Deren Mehrwert sei durch nichts zu ersetzen. Bei so viel Selbstbewusstsein war es nur schlüssig, dass die Diskussion genau da angekommen war, wo sie hingehört: ins Parlament. Dieses Mal war es nur ein ehemaliges; beim nächsten Mal ist es hoffentlich ein aktuelles.

Quelle: http://www.jugendpolitikineuropa.de